Anmerkung von Rechtsanwalt Klespe zu den Voraussetzungen für ein faires Bußgeldverfahren und zu dem Beschluss des OLG Jena vom 01.03.2016 – 2 OLG 101 Ss Rs 131/15 -.
Über 400.000 (!) zu Unrecht in Köln erlassene Bußgeldbescheide berichteten die Medien tagelang. Auf der BAB 3 am Heumarer Dreieck war die Beschilderung fehlerhaft. Mehrere Monate erfasste die Messanlage die Fahrzeuge, obwohl kein Verstoß vorlag. In der Größenordnung ist der Fall wohl ein Ausreißer, aber in Einzelfällen kommt es immer wieder vor. Meiner Erfahrung nach treten z.B. in Baustellenbereichen bei der Änderung der Beschilderung Fehler auf. In einem meiner letzten Fälle wurde die Beschilderung auf der Autobahn geändert, noch während die Messung lief. Der Betroffene bemerkt den Fehler zunächst nicht. Erst die Akteneinsicht durch den Rechtsanwalt ergibt Hinweise, die sich gegebenenfalls nach Einsichtnahme in den Beschilderungsplan bestätigen. Darüber hinaus gibt es ein Bündel von Fehlerquellen, die Zweifel an Geschwindigkeitsmessungen auslösen. Der Nachweis dieser Fehlerquellen ist aufwendig. Das OLG Jena hat den Zugang zu entscheidungserheblichen Daten erleichtert: Der Rechtsanwalt hat einen Anspruch auf Einsicht in die sogenannte Lebensakte. Dort sollten alle wesentlichen Daten und Vorkommnisse dokumentiert sein. Erst dadurch wird nach meiner Überzeugung ein faires Verfahren möglich. Leider gibt es aktuell entgegenstehende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte. Ich hoffe die Rechtslage wird sich in den nächsten Monaten zugunsten der Betroffenen verfestigen.
Rechtsanwalt Christian Klespe